Joe
In der zu erzählenden Geschichte wird ein Schriftsteller, wir nennen ihn Joe, nach langjähriger Abwesenheit in seine alte Heimat, einem kleinen Dorf in Oberkärnten, zurückkehren und dort zum Urheber eines Massakers werden. Seine Rückkehr hat also, könnte man sagen, fatale Folgen. Weniger für den Schriftsteller, da im Laufe der Geschichte nie der Ruf nach einer Ordnungsmacht bzw Polizei laut wird, (interessanterweise auch nicht durch die Überlebenden des Massakers), sondern naturgemäß für die Opfer, für die ihr Leben in dieser Geschichte frühzeitig endet, wenn auch nur fiktiv. Sie sind sozusagen für den weiteren Verlauf der Geschichte überflüssig. Beschreiben wir aber vorerst einmal die Umgebung, in der diese schreckliche Tat sich zuträgt : Ein Wirtshaus, der "Schimmi", direkt unter einer Kirche, die auf einem Hügel steht, mit einer mächtigen Eiche vor dem Hauptportal. Es regnet in Strömen. Im Wirtshaus serviert der Wirt gerade Bier und Schnaps an den großen Tisch neben dem Kachelofen, wo sich nach einem Begräbnis einige Trauergäste eingefunden haben. In der rechten oberen Ecke des Gastzimmers ein großes Kruzifix mit einem blonden Jesus. Überall an der Wand verteilt ausgestopfte Tiere. Ein Fasan, ein junger Fuchs, ein Eichhörnchen, ein riesiger Fischkopf, ein Auerhahn und unzählige kleine Geweihe, genannt Krickeln. Unter den Trauergästen befinden sich auch der Jäger Grobader, der Bauer Josef Eicher mit seiner Frau Anna, der Briefträger Tascher, der Eisenbahner Herbert Peczer mit seiner Frau und die Frau Marie, deren Mann schon vor etlichen Jahren gestorben ist, im besten Mannesalter. Marie weint und schluchzt in einem fort. Der Jäger hat seinen Arm um sie gelegt.
Jäger: Marie, es tut mir ja so leid. Ich hab ihn halt verwechselt. Ja, mit einem Karnickel hab ich ihn verwechselt.
Marie: Das verzeih ich dir nie! Du! Dass du meinen Liebsten unter die Erde gebracht hast.
Jäger: Aber, wenn ich`s dir schon gesagt hab. Verwechselt hab ich ihn mit einem Karnickel. Wenn er halt auch so ein kleiner Dreck war. Und überhaupt hat kein Hund was verloren im Wald !
Marie: Mein Liebling hat niemanden etwas getan, niemanden!
Wir wurden soeben Zeugen eines Gespräches, das einige Schlüsse über die Umstände, die zur Versammlung dieser Trauergemeinde geführt haben, zulässt. Der Jäger Grobader hat offensichtlich den Hund der Witwe Marie erschossen, als dieser im Wald herumstreunte. Wenn auch nicht absichtlich, sondern aus Versehen, wie er ja zweimal ausdrücklich betonte. Auf dem Lande ist dieser Umstand eigentlich nichts besonderes. Es kommt desöfteren vor, dass Jäger streunende Hunde im Revier erschießen. Bemerkenswert scheint eher der Umstand, dass einem Landhunde die Ehre zuteil wird, mittels eines Begräbnisses in sein anderes Leben hinübergeleitet zu werden, und nicht, wie üblich, einfach irgendwo verscharrt gewöhnlich vor sich hin zu vermodern. Hört man aber, wie Marie über Tiere denkt, so ist das nicht weiter verwunderlich.
Marie: Ein Hund hat auch eine Seele, überhaupt jedes Lebewesen hat eine Seele! Auch ein Pfarrer war anwesend und hielt eine Abschiedsrede, wie aus dem folgenden Satz der Bauersfrau Anna Eicher hervorgeht :
Anna: Ah der Herr Pfarrer, wie der schön reden kann.
Als kritischer Kenner des Landlebens könnte man hiezu feststellen, dass eine gewisse Verweichlichung des ansonsten so rauen, harten und unsensiblen Landlebens (insbesondere im Verhältnis zu den Haustieren) eingesetzt hat. Das könnte man unter anderem auch darauf zurückführen, dass immer mehr Städter sich am Lande ansiedeln, die ja eine gänzlich andere Beziehung zu Tieren unterhalten. Unser Schriftsteller wird demzufolge auch bemerken : "Die Verstädterung hat mehr vom Landleben vernichtet, als alle Touristen zusammen." Aber lassen wie unseren Schriftsteller erst einmal auf die Bühne des Geschehens treten.
Der Wirt hinter der Theke bereitet schon die nächste Runde Getränke vor. Außer den Trauergästen befindet sich nur mehr der Viehhändler und Fleischhauer Erlach, der an der Theke lehnt, im Wirtshaus. Plötzlich wird die Tür zum Gastzimmer aufgestoßen, herein tritt Joe mit Kampfanzug und einer MP in den Händen und beginnt sofort zu schießen. Er hat die Augen geschlossen und feuert wild um sich, so dass die Gläser zersplittern und die Gäste blutüberströmt und unter lautem Geschrei von ihren Stühlen tot zu Boden fallen. Nur der Jäger bleibt sitzen, den toten Kopf in die Bierlache am Tisch getaucht. Erlach sinkt hinter der Theke zusammen. Nur der Wirt bleibt verschont. Ein dichter Rauch füllt den Raum. Wenn er sich verzieht, sieht man Joe an der Theke lehnen und rundherum das Chaos in seinem vollen Ausmaße. Der Wirt steht mit offenem Mund hinter der Theke. Wirt (stotternd):
Ja, ja, aber, aber, Joe, Joe.
Joe sieht den Wirt mit funkelnden Augen an.
Joe: Was ? Wirt: Ich hab immer geglaubt ein Schriftsteller schießt nur mit Schrift und Wort. Joe (mit verächtlicher Miene): Ach was! Schrift und Wort! Die Wörter quälten meinen Kopf lange genug. Ich konnte nicht mehr, und als ich diese Trauergemeinde mit dem Fernglas vom Fenster meiner Kammer aus beobachtete, war mir klar, dass ich nicht mehr länger warten darf. Begräbt man jetzt die Hunde in Erde, die man früher den Selbstmördern verweigerte? (kurze Pause) Die Verstädterung hat mehr vom Landleben vernichtet als alle Touristen zusammen.
Wirt: Ja, dann hast du jetzt also aufgehört mit dem Schreiben? Wo du doch immer so ein stilles Wasser warst ?
Joe noch immer mit funkelnden Augen.
Joe: Stille Wasser stinken, wenn sie nicht tief sind !
Man kann hier schon nach den ersten Sätzen des Schriftstellers so etwas wie ein Motiv herausspüren. Interessant ist auch sein Vergleich mit den Touristen. Wer aber die Jugendzeit am Lande kennt und weiß, dass alle jugendlichen Burschen das ganze Jahr schwer auf die Sommerszeit und die Touristen, besonders die jungen Touristinnen, warten, kann diese Milde gegenüber den touristischen Auswirkungen auf das Landleben durchaus verstehen. Aber lassen wir die Szene noch etwas weiterspielen, in der Hoffnung, noch mehr aus den seelischen Tiefen unseres ungestümen Schriftstellers zu erfahren.
Der Regen hat aufgehört. Die ersten Sonnenstrahlen fallen schwach ins Gastzimmer. Joe geht mit langsamen Schritten zum Fenster und starrt hinaus. Er atmet tief durch. Joe: Wo ich hinkomme scheint die Sonne. Bewegung, Bewegung. Nicht länger sitze ich mehr in meiner dunklen Dachkammer und schieße mit der Schreibmaschine blinde Wörter auf Papier. Das Leben, nur das Leben ist heilig ! Der Wirt schüttelt nachdenklich den Kopf.
Wirt: Das Leben ist so vergänglich. Der Viehhändler Erlach taucht wieder hinter der Theke auf, ein Arm ist ihm abgeschossen. Er blickt vorwurfsvoll zu Joe. Erlach: Soll ich die Schweine jetzt mit einer Hand erschlagen? Aus dem Armstumpf tropft Blut auf die Theke. Der Wirt geht hinaus in die Küche und kommt mit einem großen Suppentopf zurück, um das Blut aufzufangen. Erlach hält seinen Stumpf über den Topf. Der Wirt schenkt dem Joe, dem Erlach und sich selbst einen doppelten Schnaps ein. Wirt: Ich frag mich nur, wer das alles bezahlen wird. Joe deutet mit seiner rechten Hand auf den Jäger.
Joe: Als Jäger war er so oft Herr über Leben und Tod, der Ausgleich wird ihm gut tun.
Der Wirt kommt mit unsicherem Schritt hinter der Theke hervor und geht zum Tisch der Trauergäste. Vorsichtig zieht er die Brieftasche aus der Jackeninnentasche des Jägers. Er nimmt einen Schein heraus und steckt die Brieftasche wieder zurück in die Jacke. Wenn er zur Theke zurückgeht ist sein Schritt schon etwas sicherer, auf seinen Lippen spiegelt sich ein Schmunzeln.
Wirt: Der Jäger hat uns noch eine Runde spendiert. Er schenkt noch einmal nach. Plötzlich bewegt sich sich etwas am Tisch der Trauergemeinde. Man sieht Marie, wie sie sich aus den Leichen, die über ihr liegen, hervorkämpft. Ihr Kleid ist blutverschmiert, auch ihr Gesicht und die Haare sind ganz aus der Frisur gebracht. Sie sieht sich im Raum um, dann geht sie mit wackeligen Schritten auf Joe zu.
Marie: Joe.
Joe umarmt sie.
Spätestens hier fallen einem die Seltsamkeiten an dieser Geschichte auf. Kein Wort des Hasses fällt, niemand scheint entsetzt über die Ereignisse, die sich hier abgespielt haben, einzig der vorwurfsvolle Blick des Viehhändlers, der sich aber auch sofort mit seiner Situation abfindet und schon darüber nachdenkt, wie es weitergehen soll, jetzt, mit nur einem Arm. Auch der Wirt scheint sich nicht an den Leichen zu stoßen, ja, im Gegenteil, lässt er einen der Toten, den Jäger, auch noch eine zweite Runde zahlen. Und Marie? Sie lässt sich umarmen von einem der gerade auf brutale Art und Weise einige ihrer Bekannten erschossen hat? Hören wir zu, was der Schriftsteller ihr ins Ohr flüstert und warten wir gespannt auf ihre Reaktion.
Joe (flüsternd): Marie, versteh. Ich wollte nicht länger nur mehr mit Sätzen handeln, die mich aussaugen und auszehren, bis ich meine eigenen Eingeweide nicht mehr spüre, sondern alles sich nur noch anfühlt wie trockene Asche. Marie hört ihm andächtig zu. Joe lehnt seine Maschinenpistole an die Theke. Man sieht bei Joe jetzt ganz deutlich rote Tränen aus den Augen rinnen.
Marie: So wein doch nicht. Joe stößt Marie mit einer heftigen Bewegung von sich weg und ballt seine Fäuste.
Joe (schreiend): Warum bin ich der einzige Denker im Dorf? Ah, wenn ich doch nur meine Augen soweit öffnen könnte, um sie mir über den ganzen Körper stülpen zu können. Ich habe mein ganzes Leben lang Alpträume produziert. Aber damit ist ab heute Schluss! Ab heute produziere ich nur noch Alpleben! (Pause) Soviel Angst in mir und jetzt so viele Tote. Offensichtlich hat unser Schriftsteller an zwei Faktoren besonders stark gelitten. Einmal war es die Ausgrenzung, die er in seinem Heimatdorf erfahren hatte (er wird später noch einmal darauf zurückkommen) und dann die unglaubliche Gewalt, mit der die Sprache, bzw deren Elemente (Worte), auf sein Seelenleben einwirkte. Der Wunsch seine Alpträume in Alpleben überzuführen und auch die Angst, die er anspricht, zeigen ganz deutlich den Wunsch nach Befreiung, nach Aussöhnung, nach einer Auferstehung des Lebens, das bislang nur in schmerzhaften Niederschriften sich offenbart hat. Dieses Leid erlaubt unseren Schriftsteller aber auch ungewöhnliche Visionen und Fähigkeiten, wie wir es bereits einmal, nämlich an den roten Tränen, miterleben konnten. Aber sehen wir weiter.
Marie lehnt sich wieder an Joe an.
Marie: Joe, mit dir gehe ich wohin du willst und wann du willst.
Joe: Marie, meine Marie. Lass uns einen Platz suchen, wo wir ungestört in der Erde graben können.
Wirt: Willst du deine Heimat verlassen Joe ?
Joe: Ah, die Heimat ist für mich immer nur eine Erinnerung. Sie hängt an mir, wie der Hund am Herrn! Ja ! Eine Erinnerung ist sie, an etwas, dass es wahrscheinlich nie gegeben hat. (kurze Pause; plötzlich schreit er und hebt die Hände empor) Schaut! Schaut! Wie ich hin und her zittere ! Er bewegt sich jetzt durch den Gastraum ohne Schritte sondern nur durch das Schütteln seines Körpers.
Marie: Wenn ich das sehe, bekomme ich eine Gänsehaut. Sie macht ihre Unterarme frei und zeigt ihre Haut. Der Wirt streichelt vorsichtig mit seinen Fingerspitzen über ihren Arm. Wirt: So weiß und zart ist deine Haut, Marie. Joe ist wieder an der Theke angelangt, sein Körper scheint sich langsam zu beruhigen.
Joe: Ich spüre schon den scharfen gerechten Wind, wie er die Köpfe von den verlogenen Leibern reißt. (Er nimmt Maries Kopf zwischen seine Hände.) Marie, dein Gesicht ist wie von einer Heiligen. Immer wurde ich von allen abgelehnt und mit dem Finger haben sie auf mich gezeigt. Wie viele Heiligenbilder habe ich mir angesehen und wie viele Kreuzigungen um das Leid erträglicher zu machen. Nicht mit den Augen habe ich das alles gesehen, sondern mit meinen Eingeweiden. Schon als Kind konnte ich dem Stechen der Schweine nicht zusehen und versteckte mich in meiner Kammer unter dem Bett.
Der Viehhändler und Fleischhauer Erlach, der bis jetzt stumm über seinen Armstumpf meditierte, beginnt beim letzten Satz laut zu lachen.
Unterbrechen wir die Geschichte hier noch einmal kurz, da ein wichtiges Element zur Sprache gebracht wurde, nämlich: die Heimat! Geübt im Umgang mit Sätzen schafft es unser Schriftsteller, seine komplexe Beziehung zur Heimat in zwei Sätzen zu illustrieren. "Ah, die Heimat ist für mich immer nur eine Erinnerung" und "Sie hängt an mir, wie der Hund am Herrn!" Für unseren Schriftsteller scheint es also klar festzustehen, dass sich niemand niemals ganz von dem "Boden" loslösen kann, mit dem er aufgewachsen ist. Bestimmte Strukturen des Kulturgutes, denen man ja bereits vom Kleinstkindalter an ausgeliefert ist (und in diesem Alter hat man ja auch noch nicht die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren) bleiben in Restspuren immer erhalten; sie bleiben einen sozusagen "treu". Daher diese schöne Metapher von Hund und Herr. Der Schriftsteller wird sich gegen Ende der Geschichte noch einmal mit dem Begriff der "Erinnerung" auseinandersetzen und uns offenbaren, welche Bedeutung sie für ihn besitzt. Aber greifen wir nicht zu weit vor. Der Wirt schenkt noch eine Runde ein. Zuvor geht er aber zum Jäger, um ihn die Zeche bezahlen zu lassen.
Wirt: Trinkgeld nehm ich heute keines. Joe geht jetzt zwischen den Leichen, die am Boden liegen, hin und her oder steigt über sie drüber. Joe(zu den Leichen): Bald bleibt nur noch die lächerliche ausgetrocknete Hülle eurer Kadaver. Ich werde nicht mehr länger zwischen meinen Bücherdeckeln winseln und eurem Treiben tatenlos zusehen.
Er wendet sich an Marie.
Joe: Ah, Marie, die stummen Monate, das waren die schlimmsten. Joe steht jetzt vor dem Kruzifix mit dem blonden Jesus, von dessen Dornenkrone sich gerade eine Spinne herunterseilt. Joe rinnen wieder rote Tränen aus den Augen.
Joe: Nie könnte ich mich satt sehen. Das Blut aus dem Stumpf des Erlachs hat aufgehört zu tropfen. Man sieht sein Gesicht, wie es bleich und weiß wie ein Leintuch wird. Er kippt um und landet mit einem dumpfen Krachen am Bretterboden. Joe wendet sich vom Kreuz und der Spinne ab. Er geht zum Topf, in dem der Fleischhauer sein Blut aufgefangen hat, hebt ihn hoch und beginnt zu trinken. Der Wirt und Marie sehen ihn ungläubig an.
Wirt: Da trink ich lieber noch einen Schnaps! Er schenkt sich einen ein und der Marie auch.
Joe: Wie die Spinne mit dem Heiligen, so ringe ich mit dem Blut. Während Joe trinkt, umarmt Marie ihn von hinten und fasst mit einer Hand in seine Hose. Marie: Joe. Joe spuckt.
Joe: Pfui Teufel ! Schmeckt der Erlach grausig. Marie presst ihren Kopf fest gegen Joes Rücken.
Marie: Wirt, gib ihm einen Schnaps ! Der Wirt schenkt ein und geht zum Jäger abkassieren. Marie hat von Joe abgelassen und steht wieder an der Theke. Alle schweigen. Das Kreuz fällt von der Wand. Joe: Jetzt muss ich zum Pfarrer! Er verlässt den Gastraum. Marie und der Wirt bleiben zurück. Nach ein paar Minuten hört man Schüsse.
Eine weite Ebene im oberen Drautal, umringt von Bergen. Alles ist grün. Überall sieht man aufgestellte Tierskelette. Ein kleiner Bauernhof mittendrin. Joe kniet auf dem Boden und gräbt mit seinen Händen die Erde. Hinter ihm steht Marie mit einer Glatze und einem Leuchtring darauf, dass es aussieht wie ein Heiligenschein. Sie hat noch dasselbe blutverschmierte Kleid aus der Gaststube an.
Marie: Wär ich doch nur ein Mann !
Joe : Als Mann musst du graben, und hier ist die Erde fett und voller Gewürm. Marie geht zu einem der aufgestellten Skelette und küsst es. Marie: Wurde ich nicht für dich zu einer Heiligen ? Man sieht den Leuchtring blinken. Zuerst rosa, dann blau, dann grün, dann rot.
Marie(zu Joe): Küsste ich nicht auch deinen Kadaver mit aller Liebe ? Joe: Aber ich muss in der fetten Erde nach Gebeinen graben.
Marie: Und meine Beine ?
Joe: Riechen sie nach feuchter Erde? Marie bückt sich, um an ihren Beinen zu riechen.
Marie: Sie riechen nach Rasierwasser. Aber doch sind sie es wert, beachtet zu werden. Die Sonne verschwindet langsam hinter den Bergen und wirft wilde Schatten auf die Weite. Joe reißt einen Knochen aus der aufgewühlten Erde.
Joe(schreiend): Von unten hole ich die Gebeine ! Er hält den Knochen, noch immer knieend, in die Luft und schwenkt seinen Oberkörper zur untergehenden Sonne hin. Plötzlich, von einem Augenblick zum anderen scheint es, als würde ihn die Kraft verlassen und er in sich zusammensacken.
Joe: Früher, ja. (kurze Pause) Früher, ja, da war alles noch ganz anders .Da grub ich am Ufer der Drau. Er hat die Hand mit dem Knochen wieder gesenkt und stützt seinen vorgebeugten Oberkörper jetzt mit beiden Händen gegen die Erde.
Joe: Weißt du Marie, je stärker meine Erinnerungen werden desto schwächer wird mein Körper und desto müder werden meine Träume. Je stärker meine Erinnerungen werden, Marie, desto toter wird mein Leben. Sieh mich an Marie und küsse mich.
Hier, lieber Leser, sollten wir uns von Joe und seiner Marie verabschieden. Wollen wir hoffen, dass beide doch noch ihre Aufgabe und ihr Glück in dieser Welt finden mögen. Dass sie sich nicht gänzlich zu Knechten ihrer schlechten Erfahrungen, im Umgang mit dem Land und deren Bewohner, machen lassen. Von den Trauergästen im Gasthaus zum "Schimmi" haben alle das Massaker überlebt, (das ja eigentlich keines war, wie sich zum Glück herausstellte.) Auch dem Viehhändler und Fleischhauer Erlach konnte sein Arm, dank des medizinischen Fortschrittes, wieder angenäht werden.